Ravil Rubashkin
Katharina Kitayeva
Fachärzte für Innere Medizin

Gutartiger Schwindel

Gutartiger paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS)

Der gutartige paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS) ist die häufigste Schwindelursache überhaupt. Betroffene verspüren bei bestimmten Kopfbewegungen plötzlich einen sehr intensiven Drehschwindel (oft beschrieben wie ein „Karussellgefühl“), der meist nur wenige Sekunden bis höchstens fünf Minuten anhält. Typische Auslöser sind rasche Kopfbewegungen, z. B. Drehen oder Neigen des Kopfes, Liegen oder Aufrichten im Bett sowie Bücken. Meist tritt dieser Schwindel nur in solchen bestimmten Positionen auf und klingt von selbst wieder ab. Begleitend können Übelkeit oder sogar kurzzeitiges Erbrechen auftreten. Trotz der unangenehmen Symptome ist der Lagerungsschwindel harmlos.

Ursachen und Entstehung

Ursache des BPLS ist eine Fehlfunktion im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs. Dort lösen sich winzige Kalkkristalle (Otolithen oder „Steinchen“) aus den Vorhofsäckchen ab und gelangen in die flüssigkeitsgefüllten Bogengänge. Besonders häufig lagern sich diese Kristalle im hinteren Bogengang ab. Bewegt man nun den Kopf, „rasseln“ die losen Steinchen im Bogengang umher und reizen die dortigen Sinneszellen. Das Gehirn erhält dadurch falsche Informationen über die Kopfposition, was die typischen Drehschwindelsymptome auslöst.

Warum sich die Kristalle ablösen, ist nicht immer klar. Oft folgt der Lagerungsschwindel auf eine Infektion oder Entzündung des Innenohrs, einen Schädel-Hirn-Trauma oder längere Bettlägerigkeit. Auch im höheren Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ablagerungen lösen. Wichtig ist, dass es sich um einen lokalen (peripheren) Irrtum im Gleichgewichtssinn handelt – BPLS ist also zwar sehr unangenehm, aber keine neurologische Erkrankung im engeren Sinne.

Typische Symptome und Arztkonsultation

Typisch für den Lagerungsschwindel sind plötzliche, kurz anhaltende Drehschwindel-Attacken bei bestimmten Kopfbewegungen. Die Attacken dauern in der Regel nur Sekunden bis maximal einige Minuten an. Begleitend kann Ihnen bei einem Anfall übel werden oder Sie müssen sich hinsetzen. Zwischen den Anfällen fühlen sich die meisten Patienten völlig normal; es gibt keine andauernde Benommenheit oder andere Beschwerden.

Wann Sie ärztliche Hilfe suchen sollten: In den allermeisten Fällen ist der Lagerungsschwindel harmlos und lässt sich gut behandeln. Sie sollten jedoch ärztlichen Rat einholen, wenn

  • die Drehattacken ungewöhnlich länger andauern (z. B. mehrere Minuten oder länger als eine Minute) oder sehr häufig und heftig auftreten,

  • zusätzlich andere Symptome wie starke Kopfschmerzen, Lähmungen, Doppelbilder, Gangstörungen oder Hörverlust auftreten,

  • es sich um den ersten Schwindelanfall dieser Art handelt oder Sie unsicher über die Ursache sind.

In solchen Fällen ist eine fachärztliche Abklärung sinnvoll. Mit speziellen Tests (z. B. dem sogenannten Hallpike-Test) kann der Arzt den Lagerungsschwindel sicher diagnostizieren und andere ernste Ursachen ausschließen. Lassen Sie auch in jedem Fall Ihre Symptome beim ersten Auftreten einmal überprüfen – oft erfolgt dann schon die erfolgreiche Behandlung im Rahmen der Untersuchung.

Therapieempfehlungen: Befreiungsmanöver (Epley, Semont)

Die gute Nachricht ist: BPLS lässt sich in den meisten Fällen mit einfachen Lagerungsübungen schnell beheben. Dabei handelt es sich um gezielte Abfolgen von Kopf- und Körperbewegungen, mit denen die losen Steinchen aus dem Bogengang zurück in den Utriculus geschoben werden. Die bekanntesten und effektivsten Manöver sind das Epley-Manöver und das Sémont-Manöver. Diese Befreiungsübungen werden meist einmalig oder mehrmals wiederholt unter Anleitung eines Arztes oder Physiotherapeuten durchgeführt.

  • Epley-Manöver: Sie starten aufrecht sitzend, drehen den Kopf in die betroffene Seite, legen sich dann zurück (Kopf leicht überstreckt) und drehen Kopf und Oberkörper sukzessive über beide Seiten. So „kippen“ Sie den Bogengang in mehreren Schritten durch. Sie halten jede Position jeweils einige Sekunden. Dadurch gleiten die Otolithen langsam heraus. Nach dem Manöver können Sie sich wieder aufsetzen. In der Regel führt schon eine Durchführung zum Erfolg; manchmal werden die Übungen einige Tage wiederholt.

  • Sémont-Manöver: Sie drehen den Kopf etwa 45° zur gesunden Seite und legen sich dann zügig seitlich auf die erkrankte Seite (Kinn zeigt zur Schulter) und halten kurz. Anschließend schnell in die andere Seitenlage wechseln (ohne Zwischenstopp in der aufrechten Position). Dieses schnelle Ruckbewegungsmanöver „befreit“ den betroffenen Bogengang. Es wird ebenfalls in Serie mehrmals geübt.

Beide Manöver sind sehr sicher und nebenwirkungsarm. Während der Übungen kann vorübergehend erneut Schwindel auftreten, ggf. mit Übelkeit – das ist normal. Zwischen den Übungen sollte man jeweils kurz warten, bis der Schwindel abgeklungen ist. Bei erfolgreicher Anwendung verschwindet der Schwindel oft sofort oder schon am nächsten Tag. Manchmal kehrt der Lagerungsschwindel zurück, dann kann das Manöver nach kurzer Zeit wiederholt werden.

Weiterführende Links zu Epley- und Sémont-Anleitungen

  • Video/Grafik zum Epley-Manöver: Die Apotheken Umschau bietet eine anschauliche Infografik, die die Schritte des Epley-Manövers zeigt Link 1 , Link 2.

  • Leitfaden zu Lagerungsübungen: Das Deutsche Schwindel- und Gleichgewichtszentrum (LMU München) stellt eine Patientenanleitung mit Bildern zum Sémont-Manöver bereit Link.

  • Patienteninformation: Die HNO-Klinik Regensburg fasst die Ursachen und Behandlung von BPLS zusammen und beschreibt Epley-, Sémont- und weitere Manöver (PDF) Link 1, Link 2.

Diese Quellen stammen von vertrauenswürdigen medizinischen Einrichtungen (Universitätskliniken, Fachgesellschaften und Gesundheitsportalen). Sie können dort weitere detaillierte Anleitungen (sowohl schriftlich als auch in Videos) einsehen. Beachten Sie dabei stets, dass die Übungen korrekt ausgeführt werden sollten – im Zweifel lassen Sie sich von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt beraten.

Fazit: Der gutartige Lagerungsschwindel ist sehr unangenehm, aber behandelbar. Mit einfachen Befreiungsmanövern wie Epley oder Sémont lässt sich der Schwindel in vielen Fällen sofort beseitigen. Wenn Sie die beschriebenen typischen Symptome bei sich beobachten, können Sie dies zunächst zu Hause an man in Ruhe prüfen. Halten die Beschwerden jedoch an oder sind ungewöhnlich stark, sprechen Sie rechtzeitig Ihre Ärztin oder Ihren Arzt an – gemeinsam finden Sie dann die beste Lösung.